Gallery Weekend Berlin 2016
Sigmar Polke versucht in seinen Arbeiten immer wieder die Grenzen der Kunst auszuloten. Er experimentiert in den verschiedensten Medien und entdeckt in den 1980er-Jahren die Fotokopie als Bildträger für sich. Es folgt eine intensive und über mehrere Jahrzehnte andauernde Auseinandersetzung mit diesem Medium. Das Kopieren wird hier zu einem künstlerischen Statement und einer Weiterführung von Zeichnung und Druckgrafik. Durch Drehen, Ziehen und Schieben der Vorlage während des Kopiervorgangs manipuliert Polke die Fotokopien so, dass die Bildmotive bis hin zur Unkenntlichkeit verzerrt werden. Durch diese Eingriffe wird aus bloßer Dokumentation Kunst. In den Fotokopien ist jede noch so unscheinbare Bewegung Polkes nachvollziehbar, auf vereinzelten Blättern taucht gar die in Bewegung begriffene Hand des Künstlers auf. Dem Betrachter wird so ermöglicht, der Fragmentierung eines konventionellen Gestaltungsprinzips sozusagen hautnah beizuwohnen.
Immer wieder entstehen dabei Serien, welche die unterschiedliche Bearbeitung einer einzelnen Vorlage aufzeigen. So basiert die 10-teilige Serie Ohne Titel (Junger Akrobat) aus dem Jahr 2000 auf einer Abbildung aus dem Buch Kolumbus-Eier, einer Anleitung für junge Zauberkünstler, die einen Jungen zeigt, der Kopien seiner selbst balanciert. Gedehnt und gestreckt scheinen die Figuren auf manchen der Arbeiten zu zerfließen, ihre überlangen Arme und Beine über das Papier wehend. Auf anderen werden sie gestaucht, zu kompakten Gestalten zusammengedrückt oder gar völlig aus dem Bildraum gedrängt.
Die fließenden Bewegungen der Fotokopie-Arbeiten bilden die Grundlage sowohl von großformatigen Lackarbeiten Polkes, wie etwa Furcht (Schwarzer Mann), 1997 und Lernen neu zu Lernen, 1998 als auch von Editionen, wie z.B. Eisberg (2001).
In der Ausstellung Sigmar Polke – Manipulierte Xerox-Fotokopien werden neben der Serie Ohne Titel (Junger Akrobat) auch mehrere Eisberg-Kopien präsentiert und erstmals ihren Vorlagen gegenübergestellt.