
20 Jahre Gerhard Richter Archiv: Werke, Materialien, Kuriosa im Albertinum, Dresden
15. Dezember 2025Die Kabinettausstellung „20 Jahre Gerhard Richter Archiv: Werke, Materialien, Kuriosa“ im Albertinum in Dresden gewährt einen Einblick in die Arbeit des Archivs, das seit seiner Gründung im Februar 2006 von Dr. Dietmar Elger geleitet wird. Trotz ihres intimen Maßstabs überrascht die Ausstellung mit einer außergewöhnlichen Dichte an Entdeckungen – ein Verdienst der durchdachten Kuratierung, die eine Leidenschaft für Richters Werk mit der akribischen Sammelleidenschaft des Archivs vereint.
Die Präsentation verknüpft geschickt mehrere Bedeutungsebenen: Objekte treten quer durch Kategorien in einen lebendigen Dialog – Hochkunst neben massenmedialen Echos, Skizzen neben Fotografien. Dem Besucher wird zugetraut, Verbindungen eigenständig zu entdecken, ohne ihn durch aufdringliche Erläuterungen zu lenken.
An der Oberfläche begegnen uns Werke wie Umgeschlagenes Blatt (1965), Editionen wie die jeweils sechsteiligen Kanarische Landschaften I und II (1971) und Betty (1991) oder Skizzen und Raummodelle, die Richter erstmals auch als Kurator seiner eigenen Ausstellungen zeigen. Darunter befindet sich ein Modell des Albertinums mit der von ihm konzipierten Neupräsentation der Richter-Räume: ein wunderbar selbstreferentielles Highlight, das den Raum, in dem man sich gerade befindet, im Miniaturformat spiegelt und die Meta-Ebene der Ausstellung auf die Spitze treibt.
Tiefere Ebenen erschließen sich durch Porträtfotografien von Anton Corbijn, Angelika Platen, Alice Springs und Benjamin Katz, die einen intimen Blick auf den Künstler – oft in Ateliersituation – eröffnen.
Besonders überraschend sind die Kuriosa: nur selten oder bisher nie gezeigte Objekte, die verdeutlichen, wie tief Richters Kunst in den Alltag eingedrungen ist – vom Porzellanservice Obelisco (1992), über einen Teppich nach dem Muster 1024 Farben (1988) bis hin zu Schallplattencovern für Bands wie Sonic Youth, Pet Shop Boys oder Die Toten Hosen sowie zahlreichen Buchumschlägen mit seinen Motiven.
Die Schau präsentiert nur einen winzigen Bruchteil der im Gerhard Richter Archiv gehüteten Schätze. Die Sammlung umfasst – neben einer kleinen Anzahl an Gemälden, 47 Editionen und sämtlichen Künstlerbüchern – rund 6.000 Publikationen, 2.400 Einladungskarten und Faltblätter, nahezu 500 Plakate sowie unermessliche Mengen an Presseberichten. Zusätzlich zur Unterstützung von Ausstellungs- und Forschungsprojekten anderer Institutionen widmet sich das Archiv eigenen Vorhaben: der fortlaufenden Erarbeitung und Aktualisierung des Werkverzeichnisses der Gemälde und Skulpturen sowie der Realisierung eigener Publikationen und Ausstellungen.
Mit spürbarer Sorgfalt gestaltet von jenen, die zwei Jahrzehnte lang alles über Leben und Werk Gerhard Richters gesammelt haben, verzichtet die Ausstellung bewusst auf Spektakel. Stattdessen entfaltet sich eine leise aber nachhaltige Resonanz – ein eindringlicher Beweis dafür, wie große Kunst Bestand hat und die Welt auf subtile, oft unbemerkt bleibende Weise prägt, lange nachdem sie das Atelier verlassen hat.
Die Ausstellung ist noch bis zum 12. April 2026 in Dresden zu sehen (das Albertinum ist vom 19. Januar bis 6. Februar 2026 geschlossen).
Das Gerhard Richter Archiv selbst steht – nach vorheriger Anmeldung – jedem offen: interessierten Besuchern und Forschenden, vom Schüler bis zum Museumsdirektor.