Stichword-Archiv: Albertinum

A.R Penck, Großes Weltbild, 1965, Öl auf Hartfaserplatte, 180 x 260 cm; Raumansicht, Albertinum Dresden

A.R. Penck: „Ich aber komme aus Dresden (check it out man, check it out).” im Albertinum, Dresden

10. Oktober 2019
Carina Krause

Dieses Jahr wäre der 2017 verstorbene A.R. Penck 80 Jahre alt geworden. In seiner Geburtsstadt Dresden hat ihm jetzt das Albertinum eine Ausstellung gewidmet, die sein Werk bis zu seiner Ausreise aus der DDR 1980 – gewissermaßen den unbekannten Penck – in den Mittelpunkt rückt.

In der DDR als Künstler von offizieller Seite nicht anerkannt und demzufolge vom Kunstbetrieb ausgeschlossen, erzielte er, Dank seines Kölner Galeristen Michael Werner, ab 1968 im Westen Deutschlands künstlerische Erfolge. Pencks Arbeiten, wenn sie nicht zu denen gehörten, die Werner erfolgreich über die Grenze schmuggeln konnte, durften in den staatlich organisierten Ausstellungen nicht gezeigt werden und waren somit einem sehr begrenzten Publikum zugänglich.

Durch eine beeindruckende Auswahl an frühen Gemälden, Zeichnungen, Drucken, Gruppenarbeiten, Musik, Super-8-Filmen, Künstlerbüchern, Texten und Skulpturen ist es nun endlich auch einem breiteren Publikum möglich, Pencks Anfänge und Ansätze genauer zu ergründen.

Diese Ausstellung ist ein abenteuerlicher Streifzug durch Pencks schier unüberschaubares Oeuvre. Die Gemälde sind chronologisch angeordnet. Auf Trennwände wurde bewusst verzichtet, um es dem Besucher zu erleichtern, in die verschiedenen Stationen, die Künstlerbücher, Texte, Skulpturen, Musik und Film präsentieren, einzutauchen. Alles scheint miteinander verwoben. So wie Penck medienübergreifend gearbeitet hat, so kann sich der Besucher auf eine multimediale Entdeckungsreise begeben.

Den Auftakt der Ausstellung bildet eine Reihe von Gemälden der klassischen Sujets Portrait, Stillleben und Akt, in denen der Einfluss von Picasso und van Gogh klar erkennbar ist. Diese Arbeiten stammen aus den 1950er-Jahren, in denen Penck an der Volkshochschule erste Kontakte mit anderen Künstlern knüpfte. Schon bald traf man sich auch privat zum künstlerischen Experimentieren und Ausprobieren.

Die Zusammenarbeit und der Austausch mit anderen Künstlern bleibt für Penck auch in den folgenden Jahren wichtig. Denn obwohl er trotz mehrerer Bewerbungen an keiner Kunstakademie studieren und kein Mitglied des Verbandes der Bildenden Künstler werden durfte, war er fest in die Dresdner Kunstszene eingebunden – zumindest in die des Untergrunds.

1971 ist er Gründungsmitglied der Künstlergruppe Lücke. Die Staatsmacht ist not amused. In der Ausstellung ist diese Zeit sowohl durch Gruppengemälde als auch durch Super-8-Filme sehr gut dokumentiert. 1976 zerbricht die Gruppe schließlich an der massiven Behinderung durch die Politik, an Bespitzelung und auch daran, dass das Projekt künstlerisch schlicht ausgereizt war.
Zwei Jahre später ist Penck Mitbegründer der Obergrabenpresse, die ebenfalls in der Ausstellung vertreten ist.

Erste Welt- und Systembilder sind zu sehen, z.B. Großes Weltbild von 1965. Es ist in seiner Reduktion der Farbigkeit und der Figur hin zur Strichfigur beispielhaft für Pencks neue Bildsprache, die nicht werten, sondern analysieren und Strukturen verdeutlichen will.

Mehrere Selbstportraits sind über die Ausstellung verteilt, in denen der Künstler in immer neue Rollen und Charaktere schlüpft. Diese Vorliebe für wechselnde Identitäten wird sich später auch im stetigen Wechsel seiner Pseudonyme fortsetzen. Als Ralf Winkler geboren, signiert er ab den 1960er-Jahren erstmals Werke mit A.R. Penck, später wird er sich unter anderem auch Mike Hammer, TX, y, und α nennen.

Den Höhepunkt der Ausstellung bilden jedoch die 17 Super-8-Filme, die hier erstmals in dieser Breite gezeigt werden. Die Themen der Filme sind weit gefächert und reichen von Straßenaufnahmen aus dem Dresden der 1970er-Jahre, über Künstlerfreunde, einer Kunstauktion, hin zur Gründungsveranstaltung der Lücke. In diesen Filmen wird, wie auch in seinen anderen Arbeiten, deutlich, dass Penck die Welt als großen Signalraum wahrnahm, in dem alles eine tiefere Bedeutung erhielt. Sein filmisches Schaffen endete mit seiner Ausreise aus der DDR 1980 und geriet danach beinahe in Vergessenheit.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch die Künstlerbücher. Wie auch in anderen Bereichen geht es Penck vor allem um Kommunikation und Information. Er vergleicht Bilder und Texte und entwirft sein großes Standartsystem. Ein Großteil der Künstlerbücher wurde digitalisiert und so kann der Besucher beim Blättern gewissermaßen dem Entstehen und Entwickeln einer Penck’schen Idee beiwohnen.

Die Künstlerbücher sind aus verschiedensten Materialien, wie Auftragsblöcken, Schreibblöcken oder Rechnungsbüchern hervorgegangen. Das Penck bei der Wahl seiner Bildträger nicht wählerisch ist, zeigt sich auch bei seinen Gemälden: Küchenschranktüren, Pappe, Decken – alles ist willkommen. Schon daran zeigt sich, auf eine sehr subtile Art, dass das Brechen von Konventionen, von Regeln bei Penck einfach dazu gehört.

In dieser Ausstellung gibt es unheimlich viel zu sehen und zu hören. Spannende Bezüge erleichtern den Zugang zu Pencks komplexem Werk und machen es damit noch weitaus interessanter.

 

Die Ausstellung ist vom 5. Oktober 2019 bis zum 12. Januar 2020 im Albertinum, Dresden zu sehen.
Weitere Informationen gibt es hier.