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Rezension von Gerhard Richter: The Overpainted Photographs – A Comprehensive Catalogue (6 Bände, HENI Publishing, London)

4. April 2025
Carina Krause

Gerhard Richter: The Overpainted Photographs – A Comprehensive Catalogue, veröffentlicht von HENI Publishing in London, ist ein ehrgeiziges und visuell beeindruckendes Projekt, das Richters übermalte Fotografien akribisch dokumentiert. Dieses sechsbändige Set, verpackt in einem eleganten Schuber, umfasst über 1.900 Farbabbildungen auf insgesamt 2.464 Seiten und bietet einen umfassenden Einblick in eine Praxis, die Mitte der 1980er-Jahre begann und über Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt wurde. Herausgegeben von Joe Hage und Hans Ulrich Obrist, zeigt der Katalog Richters einzigartige Verschmelzung von Fotografie und Malerei – kleine, oft persönliche Schnappschüsse, die durch Ölfarben- oder Lackapplikationen, Spritzer und Rakelstriche transformiert wurden. Die Kunsthistorikerin Christine Eissengarthen hat hervorragende Arbeit geleistet, die Informationen für diesen Katalog zusammenzutragen, und damit eine fundierte Grundlage für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Richters Werk geschaffen. Es ist ein bedeutender Beitrag zur Richter-Forschung und beleuchtet eine weniger bekannte, aber dennoch bedeutsame Facette seines Werks.

Die intellektuelle Grundlage des Katalogs ist solide, insbesondere im ersten Band, der Essays von Koryphäen wie Hans Ulrich Obrist, Robert Storr, Siri Hustvedt und dem verstorbenen Achim Borchardt-Hume sowie Christine Mehring und Uwe M. Schneede enthält. Diese Texte untersuchen die konzeptionelle Tiefe der Werke – Erinnerung, Repräsentation und das Zusammenspiel von Figuration und Abstraktion – und bieten fesselnde Interpretationsansätze für Richters Arbeitsprozess. Die folgenden vier Bände ordnen die Werke chronologisch von 1987 bis 2018, während der sechste Band die wichtigsten Informationen zu den in den Bänden 2 bis 5 abgebildeten Arbeiten liefert, was ihn zur zentralen Ressource dieses Katalogs macht. Tatsächlich hätte der 6. Band völlig ausgereicht, da er die essenziellen Informationen zu Richters übermalten Fotografien bündelt. Die Bände 1 bis 5, obwohl eine gute Ergänzung, erscheinen im Vergleich dazu fast unnötig – die Essays des ersten Bandes und die chronologische Darstellung in den Bänden 2 bis 5 bieten zwar zusätzliche Perspektiven, aber die Kerninformationen im 6. Band machen diese Ergänzungen entbehrlich.

Visuell sind die Reproduktionen beeindruckend und zeigen die taktile Anziehungskraft von Richters Eingriffen – lebendige Farbstreifen und subtile Texturen vor dem glänzenden fotografischen Hintergrund.
Das Design ist elegant gestaltet. Doch diese Eleganz hat ihren Preis. Der Schuber, obwohl luxuriös, ist leider schwer zu handhaben; die Bände sind nur mühsam herauszunehmen, da sie sehr eng sitzen, was sowohl die Bücher beschädigen als auf Dauer auch den Nutzer erheblich frustrieren könnte. Dieser Mangel trübt das ansonsten hochwertige Erlebnis, insbesondere angesichts des Preises von £600 / € 720 / $850, der es bereits als Sammlerstück und nicht als leicht zugängliches Nachschlagewerk positioniert.

Ein schwerwiegenderer Kritikpunkt ist das Fehlen von Detailaufnahmen. Angesichts der Komplexität von Richters Übermalungen – wo das Zusammenspiel von Farbe und Fotografie oft auf winzigen Texturen oder Pinselstrichen beruht – wirkt das Ausbleiben von Nahaufnahmen wie eine verpasste Gelegenheit. Dem Leser bleiben Ganzansichten, die zwar schön sind, aber die materiellen Nuancen, die diese Werke auszeichnen, nicht vollständig vermitteln. Diese Einschränkung mindert die Fähigkeit des Katalogs, als wirklich immersives Studienwerkzeug zu dienen, insbesondere für diejenigen, die an Richters technischer Meisterschaft interessiert sind.

Trotz dieser Kritik bleibt der Katalog eine bahnbrechende Publikation. Er zeugt von Richters grenzüberschreitender Kreativität, die das Persönliche mit dem Abstrakten verbindet und konventionelle Bildgestaltung herausfordert. Die wissenschaftlichen Essays und hochwertigen Abbildungen machen ihn zu einer unverzichtbaren Ressource für Enthusiasten und Akademiker gleichermaßen. Auch wenn Designmängel und das Fehlen detaillierter Bilder seine Praktikabilität einschränken, bietet The Overpainted Photographs eine eindrucksvolle Würdigung eines der bedeutendsten Künstler der zeitgenössischen Kunst.